Brühl. Seit ihrer Jugend war Bettina Wagner, wie sie betont, von der Psychologie fasziniert. Durch eigene Schicksalsschläge und Herausforderungen befasste sie sich immer mehr damit. Wie kommen Emotionen zustande? Wie schafft man es aus unliebsamen Empfindungen, Mustern und Verhaltensweisen zu kommen? Was unterstützt bei der Bewältigung von Krisen und Herausforderungen? Wie kann man zu einer guten Entscheidung kommen?
Vor einem knappen Jahrzehnt sah sie die Zeit gekommen – sie wollte das Dahinter verstehen und Werkzeuge an die Hand bekommen. So führte sie ihr Weg zu ihrem Herzensberuf – Coach zu sein, um ihr Wissen an Privatpersonen und Firmen weiterzugeben.
Inwieweit ist die Woche der Seelischen Gesundheit Ihr Thema?
Bettina Wagner: Diese Aktionswoche steht unter dem Thema „Zusammen der Angst das Gewicht nehmen“. Und da bietet sich Coaching als eine Lösungsmöglichkeit sehr gut für an. Wir leben in einer Zeit der Veränderungen und Herausforderungen, denn wir kommen von einer Krise in die nächste. Da fühlen wir uns überfordert und unsicher – wir haben schlichtweg Angst. Coaching unterstützt uns dabei, dass unsere Ängste nicht überhand nehmen oder uns steuern, sondern dass wir uns wieder selbst aktivieren können, um ins Handeln zu kommen.
Ist die Angstsituation bei den Menschen durch Corona schlimmer geworden?
Wagner: Ja, es definitiv schlimmer geworden. Wenn der einzelne Mensch da nicht über genügend Resilienz verfügt, also eine seelische Widerstandsfähigkeit, um schwierige Lebenssituationen wie Krisen oder Katastrophen ohne dauerhafte Beeinträchtigung zu überstehen, dann ist da schnell eine richtige Panik erwachsen. Die Menschen sind dünnhäutiger und somit aggressiver geworden. Das konnte jeder beispielsweise im Supermarkt beobachten, wenn die Menschen aus Kleinigkeiten wie dem Abstandhalten heraus plötzlich explodiert sind. Da lagen ganz offensichtlich die Nerven blank – und das tun sie bei manchen heute noch. Corona mit den vielen Unsicherheiten hat schon an den seelischen Kräften gezehrt. Und die Krisen hören ja gar nicht auf. Da sollte man für sich schauen, dass man stabil ist. Coaching hilft dabei.
Wie genau sieht das aus?
Wagner: Vorab: Coaching ist keine Beratung. Jeder Mensch ist individuell, deshalb wird beim Coaching die passende Lösungsmöglichkeit für jeden Menschen ebenfalls individuell erarbeitet. Das kann auf ganz unterschiedlichen Wegen geschehen – ich bin ausgebildet in Systemik, im Neurolinguistischen Programmieren, kurz NLP, im Embodiment – das alles basiert auf der humanistischen Psychologie. Und je nach Klienten kommen die jeweiligen Techniken zum Einsatz. Es gibt also Techniken, da geht es über Sprache und Sprechen, durch Achtsamkeitsübungen oder wie beim Embodiment über den Körper. In ihm ist alles gespeichert, der Körper spricht ständig mit uns. Das zeigen auch die ganz alten Sprichworte wie „Die Angst sitzt mir im Nacken“ oder „der Stress macht mir Kopfweh“. Wenn wir wieder aufmerksam auf unseren Körper hören und seine Sprache verstehen, dann wissen wir auch schon, wo wir ansetzen können.
Wo ist der Unterschied zur psychotherapeutischen Behandlung?
Wagner: Teilweise sind das die selben Ansätze, teilweise wird beides miteinander verbunden. Für eine tiefe Depression ist aber der Psychotherapeut da, dafür ist der Coach nicht ausgebildet. Wir sind dafür da zu helfen, wenn Sie merken, dass sie in ein Stimmungstief kommen, dass sich zur Depression entwickeln kann. Coaching stärkt auch bei einem Mangel der Selbstwertgefühle, wenn Sie also ein schwach ausgeprägtes Selbstbewusstsein haben.
Braucht man dazu denn immer direkt einen Coach – kann man das nicht selber oder mit Freunden hinbekommen?
Wagner: Viele denken das, wenn sie seelische belastende Probleme haben. Aber tatsächlich frisst sich das Problem immer tiefer in den Menschen rein und dann ist es nicht mehr einfach, aus diesem Stimmungstief herauszukommen, dann braucht es rechtzeitig professionelle Hilfe. Dabei wird gemeinsam erarbeitet, was hinter dem Problem steckt. Manchmal denkt der Klient, er wisse schon sehr genau, was ihn belaste. Doch dann kommt beim Coaching ein ganz anderer Grund raus, was wirklich die Ursache ist. Diese Blockaden werden dann miteinader gelöst, die eigenen Ressourcen werden aktiviert und die Stärken des einzelnen Menschen wieder gefördert.
Geht das denn wirklich nicht zusammen mit Freunden?
Wagner: Freunde sind eine wichtige Stütze, aber bei ihnen ist die Suche nach der Lösung oft eine Beratung. Beim Coaching werden Techniken eingesetzt, die dem Betroffenen helfen, seinen Weg selbst zu finden, es kommt alles aus dem Klienten heraus.
Zur Person: Bettina Wagner
- Bettina Wagner ist 1963 in Pirmasens geboren und hat inzwischen als Coach eine Praxis in der Helene-Wessel-Straße in Brühl.
- Seit 2017 bietet sie Einzel-Coachings, Team-Coachings, Supervisionen, Seminare und Workshops.
- Bei der Mypegasus-Akademie ist sie seit 2021 Personalberaterin.
- Sie ist seit 1988 Geschäftsführende Gesellschafterin bei Intra Coaching.
- 2019 Begann ihre Coaching-Master-Ausbildung im Odenwald-Institut.
- 2020 wurde sie zudem zum Naturcoach fortgebildet. ras
Findet das immer im Einzelgespräch statt?
Wagner: Nein, viele Coaches bieten so wie ich beispielsweise auch Workshops an, wenn man lieber in einer Gruppe arbeiten oder sich erst einmal eine Idee holen will von dem, was wir als Coaches anbieten.
Woran erkenne ich als Laie, dass es gut wäre mit meinen Problemen einen Coach aufzusuchen?
Wagner: Zum Beispiel, wenn ich ständig in einem Gedankenkarussell gefangen bin – das kennen wir sicher alle irgendwie, wenn mein Kopfkino mich steuert und es mir deshalb nicht gut geht. Wenn ich keine Lebensfreude mehr verspüre, wenn ich motivationslos bin und nicht mehr in die Pötte komme. Das sind die Beobachtungen, die mir zeigen, dass ich einen Coach aufsuchen sollte,um die persönliche Motivationsstrategie zu aktivieren. Aber Coaches helfen nicht nur bei depressiven Stimmungen. Im Businessbereich hilft Coaching zudem, wenn man sich auf ein Burnout zubewegt. Ich kann aber auch zum Coaching kommen, wenn ich eine Entscheidung zu fällen habe. Da stehen wir als Coaches unterstützend zur Seite – auch bei einer Neuorientierung. Wenn Sie unsicher sind und irgendwas hält sie zurück, weil Sie nicht aus Ihrer Haut rauskönnen, dann ist Coaching gut geeignet, einen guten Weg zu finden.
Muss man sich also immer gut beobachten?
Wagner: Ja. Es kommt immer darauf an, wie aufmerksam der Mensch mit sich selbst ist. Von Dritten ist oft eine Scheu da, den Betroffenen auf mögliche seelische Probleme anzusprechen.
Sie haben den Businessbereich angesprochen – wo können Coaches da helfen?
Wagner: Im Businessbereich hilft Coaching zudem, wenn man sich auf ein Burnout zubewegt und Kommunikationstrainings, um sich und andere besser zu verstehen. Ein Chef kann seinen Mitarbeitern beispielsweise Workshops anbieten, um die Zufriedenheit am Arbeitsplatz zu steigern – das ist auch ein Zeichen für Wertschätzung gegenüber seinen Mitarbeitern. Bringt aber auch dem Unternehmen etwas, denn ein zufriedener Mensch arbeitet auch mit Freude und ist leistungsaktiver.
Bei der Psychotherapie dauert es oft sehr lange, einen Platz zu bekommen – wie ist das beim Coaching?
Wagner: Die Coaches sind in der Regel nicht so ausgebucht wie die Psychotherapeuten. Da kommt natürlich dazu, dass viele Psychotherapeuten über die Krankenkassen abgerechnet werden können. Ein Coach rechnet nur privat ab.
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