Historienreihe

Reisen im 18. Jahrhundert: Kurfürst Carl Theodor meist mit Kutsche unterwegs

In einer kleinen Serie wollen wir Episoden aus dem Leben des Schwetzinger Kurfürsten Carl Theodor nahebringen. Er wäre ja im Dezember 300 Jahre alt geworden. Zum Auftakt geht es ums Reisen zu Zeiten Carl Theodors.

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Dieser barocke Schlitten von Kurfürst Carl Theodor steht im Eingangsbereich des Kurpfälzischen Museums in Heidelberg. Dort läuft noch bis Jahresende zum 300. Geburtstag eine Sonderpräsentation im Palais Morass. Carl Theodors Leidenschaft gehörte der Kunst, den Musen und der Wissenschaft. Er galt als feinsinniger und vielseitig interessierter Kurfürst. In der Beletage vermitteln Gemälde, grafische Werke, Porzellan, Medaillen und selten gezeigte Kostbarkeiten einen Einblick in sein Leben. © Museum/Seele

Schwetzingen. Man reist ja nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen. So hat es jedenfalls Johann Wolfgang von Goethe gesehen – ein Vielreisender seiner Zeit. Nicht erst im 21. Jahrhundert war die Reiselust unbegrenzt, sondern auch schon 300 Jahre zuvor waren Urlaubs-, Bildungs- und Erholungsreisen sehr beliebt. Allerdings war das Reisen sehr beschwerlich und extrem teuer, so dass es auf einen exklusiven Personenkreis beschränkt blieb. Auch Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz (1724-1799) reiste gerne und oft.

Phaeton bestieg der antiken Sage nach heimlich den Sonnenwagen seines Vaters Helios, weil aber die Sonnenrosse zu stürmisch waren und er das Gefährt nicht mehr lenken konnte, stürzte er zur Erde. Gefährlich waren Kutschfahrten oft auch für die Irdischen, immer wieder ist ein Reisender „mit der Gutschn umbgefallen“, wie Herzog August von Braunschweig-Wolfenbüttel auf seinem Weg nach Delmenhorst im Jahre 1601 schrieb.

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Eine besondere Art der Lustkalesche, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts aufkam und „Phaeton“ genannt wurde, war so schwierig zu steuern, dass man zu jener Zeit fast täglich von einem Unglück hörte, das durch diese Fahrzeuge verursacht wurde. So beschrieb auch die Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, die Lieblingsschwester von König Friedrich dem Großen von Preußen, in ihren Memoiren einen Kutschenunfall auf der Fahrt von Berlin nach Bayreuth: „ Der Kutscher war wieder so freundlich, auf der Landstraße die Kutsche umzuwerfen. Der Wagen fiel zweimal um, die Decke zuunterst. Da ich mich nicht vorsah, zerkratzte ich mir das ganze Gesicht und schlug mir den Kopf wund. Doch setzte ich trotzdem die Reise fort.“

Amouröses Fahrtabenteuer für Schwetzinger Kurfürst Carl Theodor

Aber nicht nur die Beschwernisse des Reisens in Kutschen fanden ihren Niederschlag in der Literatur. So berichtet Casanova in seinen Memoiren von einem amourösen Abenteuer während der Kutschfahrt am Himmelfahrtstag des Jahres 1742 in einem Wald bei Pasiano di Pordenone. Bekannt wurde auch aus Marcel Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“ Swans Annäherung an Odette beim Ordnen von Cattleyablüten am Ausschnitt seiner Geliebten, die durcheinander geraten waren, nachdem das Kutschpferd vor einem Hindernis gescheut hatte und die beiden Passagiere durch einen heftigen Stoß beinahe von ihren Sitzen geschleudert worden waren.

Cineastisch nachvollziehbar wird das Reisen mit der Kutsche im 18. Jahrhundert durch die Filme „Flucht nach Varennes“ von Ettore Scola (mit Marcello Mastroianni und Hannah Schygulla) und „Barry Lyndon“ (mit Ryan O’Neal), einer Verfilmung des Romans von William Makepeace Thackeray. Gerade hier fängt Regisseur Stanley Kubrick durch minutenlange Kutschfahrtsequenzen die Langatmigkeit des damaligen Reisens gekonnt ein.

Kurfürst Carl Theodor, der ja von 1743 bis 1799 regierte und Herrscher in sieben Ländern (Kurpfalz, Bergen op Zoom, Jülich, Berg, Sulzbach, Neuburg und ab 1777 Kurbayern) war, musste zwangsläufig viele Reisen unternehmen, um seine ausgedehnten Herrschaftsgebiete zu inspizieren. Dazu kamen Besuche bei verwandtschaftlichen Höfen, Kuraufenthalte und Bildungsreisen. Die erste große Kutschfahrt legte der achtjährige Carl Theodor von seiner Geburtsstadt Brüssel in die pfälzische Hauptstadt Mannheim zurück. Zuvor besuchte er seinen Vater in Sulzbach/Oberpfalz. Diesem Ort galt auch die erste Inspektionsreise 1742 – noch als Kurprinz und schon als Herzog von Sulzbach.

Geschichte in Schwetzingen: Carl Theodor reist mit Kutsche nach Italien

Wegen des besseren Komforts benutzte der pfälzische Hof auch öfters die prunkvolle ererbte Rheinflotille des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz (regierte 1690-1716). Dies belegt auch ein zeitgenössischer Stich von 1765, der die Rückkehr des Kurfürstenpaares aus Düsseldorf darstellt. Oft weilte Carl Theodor zum Privatvergnügen in den Badeorten Schlangenbad und Zaisenhausen, wohin er mit kleinem Gefolge in der Kutsche fuhr. Zu wichtigen Verwandtengesprächen wegen des anstehenden Erbfalls der beiden Wittelsbacher Linien in Kurpfalz und Kurbayern begab sich der pfälzische Kurfürst nachweislich fünfmal nach München.

Carl Theodors erste Italienfahrt war eine klassische Bildungsreise. Für den kunstbegeisterten Kurfürsten ging damit ein Traum in Erfüllung, auf den er 25 Jahre gewartet hatte, wie er dem Hofkaplan Johann Kasimir Haeffelin gestand. Die 18 Personen umfassende Reisegruppe startete mit zwei Kutschen und einer Chaise am 7. November 1774 von Mannheim aus, wie das „Römische Reiß-Tags-Buch“ vermerkte. Der zweite Wagen schien vom Pech verfolgt, schildert doch das Reisejournal mehrere Achsbrüche, welche die Reise behinderten. Die Reiseroute verlief von Schwetzingen über Rot, Bruchsal nach Ulm. Ab Stetten ging die Fahrt durch tiefen Schnee bis Innsbruck. Die Alpenüberquerung ging trotz der ungewöhnlichen Winterreisezeit problemlos vonstatten. Aber hinter Rimini blieben die Wagen in Schnee und Morast stecken und mussten durch Ochsen herausgezogen werden.

Die Italienreisen des Kurfürsten Carl Theodor aus Schwetzingen

Am 19. November wurde die Reisegruppe in Bologna von einem päpstlichen „Cabinets-Courir“ empfangen und in Civita Castellana stieß am 27. November der kurpfälzische Gesandte am päpstlichen Stuhl, Tommasso Antici Marchese di Pescia, dazu. Dieser organisierte den Rom-Aufenthalt und besorgte die Unterkunft im Palazzo Pamphili an der Piazza Navona.

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Carl Theodor, der inkognito als Graf von Veldenz reiste, wurde sogleich vom Kardinalskollegium begrüßt, das zum Konklave versammelt war. Ebenso „kamen alle Prinzen, Gesandte, Prälaten und Nobili zu ihm in Visite“. Schon während der Reise wurden unterwegs vor allem Kirchen, Klöster und Museen, aber auch militärische Einrichtungen besucht. In Rom absolvierte man das klassische Touristenprogramm. Die Reisegesellschaft besichtigte in 30 Tagen über 30 Kirchen, manche sogar mehrfach, zwölf Paläste mit ihren Gemäldegalerien und Sammlungen sowie die berühmten Villen in Frascati und Tivoli. Auch die antiken Bauwerke wie Kolosseum, Pantheon und die Trajans-Säule erregten die begeisterte Aufmerksamkeit des Kurfürsten. Sein Interesse galt auch sozialen Einrichtungen wie dem Heilig-Geist-Spital mit angeschlossenem Irrenhaus, einem Waisen- und einem Zuchthaus.

Carl Theodor reist mit der Kutsche - aus der Liebe zur Kunst

Er besichtigte überdies die Ateliers der Künstler André Jean Lebrun, Giambattista Piranesi, Philipp Hackert, Bartolomeo Cavaceppi und Pompeo Batoni, der ein ganzfiguriges Porträt von Carl Theodor malte, das sich heute in der Alten Pinakothek in München befindet. Für sein Kupferstichkabinett erwarb er Arbeiten von Piranesi, die heute in Schloss Mannheim präsentiert werden und von Francesco Carabelli die Marmorskulptur der Waldbotanik sowie antikisierende Vasen, die heute im Kreisparterre um das Arionbassin verteilt stehen. Die Statuen des Bacchus und der Kleopatra, beide von Andrea Vacca, erwarb man ebenfalls in Rom. Alle Figuren wurden auf dem Seeweg von Livorno nach Amsterdam und dann rheinabwärts transportiert. Das Programm der Reisegruppe war randvoll und liest sich wie ein Führer durch die Ewige Stadt.

Die Rückreise trat man am 29. Dezember an, wobei in Florenz, wo Carl Theodor vom Großherzog der Toskana, Erzherzog Leopold II. von Habsburg-Lothringen, empfangen wurde, und in Venedig mehrere Tage Station gemacht wurde. Am 23. Januar 1775 reiste die kurpfälzische Gruppe über Padua, Verona, Trient, Brixen, Innsbruck, Seefeld, Benediktbeuren nach München, wo der Kurfürst sich mit seinem bayerischen Verwandten traf. Über Augsburg, Göppingen, Cannstatt traf man am 4. Februar 1775 wieder in Mannheim ein.

Reisetagebuch über die Reisen von Carl Theodor aus Schwetzingen

Die zweite Italienreise trat der Kurfürst von Pfalz-Bayern am 2. Mai 1783 von München aus an. Sie diente zur Besserung der angegriffenen Gesundheit des 59-jährigen Carl Theodor, der zwei Schlaganfälle überlebt hatte. Darauf verweisen die zwei Leibärzte der Reisegruppe und ein viertägiger Badeaufenthalt in Pisa. Die Reise sollte auch die diplomatischen Beziehungen zum Papst intensivieren, Carl Theodor wollte eine eigene Nuntiatur in München.

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Zur Reisegruppe gehörten der Jugendfreund und nunmehrige Außenminister Freiherr Matthäus von Vieregg, Oberst und Leibadjutant Freiherr Jobst Ernst von Schwichelt, Regierungsrat und Kabinettssekretär Freiherr Stephan von Stengel, der auch das ausführliche Reisetagebuch führte, Kammerdiener Karl Franz Dusch, Kammerlakai Edmund le Prieur, Reiselakai Franz Schuster, Mundkoch Franz Thieri, Hoflakai Johann Kaufmann, Dolmetscher Carl Prestinari, Kurier und Sattelknecht Michael Steidel und der Kurier Anton Steidel.

Spektakulärer Kutschenunfall bei Reise im 18. Jahrhundert

Die äußeren Umstände wie Unterkunft und Besichtigungstour sind dem ersten Rom-Aufenthalt ähnlich. Um den von den Ärzten diagnostizierten „Verdruss“ zu entgehen, besuchte der Kurfürst aber viele gesellige Zusammenkünfte des römischen Adels und traf sich 13-mal mit dem Papst, nahm an der Fronleichnahmsprozession und zwei Seeligsprechungen teil. Zerstreuung bot ein kurzer Abstecher nach Neapel, wo man Pompeji, Herculaneum, Portici und Puzzuoli besichtigte. Stengel erwähnt auch eine Opernaufführung im damaligen größten Theater San Carlo und einen Empfang bei König Ferdinand IV. Zwar standen auf dieser zweiten Reise auch sehr viele Besichtigungen auf der Tagesordnung, aber sie waren nicht der Hauptgrund der Reise. Nicht Bildungserwerb, sondern religiöse Motive waren das Hauptreiseanliegen des Kurfürsten. So empfing er zweimal den großen päpstlichen Segen.

Bei der Rückfahrt erlitt Carl Theodor einen spektakulären Unfall. So berichtet der Reisegefährte Stephan von Stengel: „Allein zwischen Piano Asinatico und St. Marcello gleich über der Brücke konnten schon die matten Pferde den Berg nicht mehr hinauf. Man hatte zwar einen Vorspann geschickt, da aber dieser allzu lange ausblieb, suchten die Postillione nach aller vergeblich angewandten Mühe, dem Wagen eine schiefe Wendung zu geben, um so ihre stättichen (nicht von der Stelle zu bringenden) Pferde wieder in Gang zu bringen, und bereiteten dadurch ein Unglück, für das man keinen Namen würde gehabt haben, denn in dem Augenblicke fing der Wagen an rückwärts zu laufen und fiel endlich gar um...“ Carl Theodor überlebte glücklicherweise unbeschadet diesen Zwischenfall. Er traf am 18. Juli 1783 wohlbehalten in München ein.

Zweite Frau verunglückte tödlich bei Unfall mit Kutsche

Weniger Glück hatte die zweite Gemahlin des Kurfürsten Marie Leopoldine aus dem Hause Habsburg-Modena. Sie verstarb 1848, als sich ein Salzwagen in ihre Kutsche bohrte. Doch kehren wir lieber zu einem erfreulicheren Thema zurück – mit welchen Kutschen fuhr nun der pfälzische Kurfürst Carl Theodor und wo sind diese heute abgeblieben?

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Die ältesten heute erhaltenen pfälzischen Fortbewegungsmittel sind zwei barocke Rennschlitten des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz. Sie wurden nach dessen Tod 1716 von seinem Bruder und Nachfolger Carl Philipp (regierte 1716-1742) von Düsseldorf nach der neuen Hauptstadt Mannheim überführt. Der sehr barock bewegte Schlitten mit der Hauptfigur der Diana entstand um 1710 unter der Ägide des Hofbildhauers Gabriel Grupello in Düsseldorf und befindet sich heute im Historischen Museum in Basel. Der zweite Schlitten, der für die beliebten Winterausfahrten des Hofes benutzt wurde, wird heute im Schloss Herrnsheim, der Außenstelle des Museums der Stadt Worms ausgestellt. Dieses Museum besitzt noch zwei weitere barocke Schlitten, die zerlegt, unrestauriert und noch nicht erforscht sind. Auch hier lässt sich eine kurpfälzische Provenienz vermuten.

Schlitten von Carl Theodor im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg

Bei barocken Rennschlitten saß die Dame im Schlitten, während der Kavalier dahinter von einem Bockbrett aus das davor gespannte Pferd lenkte. Zwei weitere barocke Schlitten befinden sich heute noch in der ehemaligen Kurpfalz. Der eine wird derzeit im Eingangsbereich des Kurpfälzischen Museums in Heidelberg präsentiert. Der andere aus Privatbesitz einer alten kurpfälzischen Familie wartet noch auf seine Restaurierung im Depot der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg.

Aus der Zeit des Kurfürsten Carl Philipp haben sich keine Wagen erhalten. Für seinen Fuhrpark können nur die berühmten Jagdbilder aus dem Schwetzinger Schloß herangezogen werden. Auf dem Zyklus, wovon sich auch Teile im Privatbesitz in Belgien befinden, sieht man sogenannte „Chaise roulante“, offene zweirädrige Wagen, die nicht nur mit Pferden, sondern zur besonderen Belustigung der Jagdgesellschaft auch mit angeschirrten Wildschweinen gefahren wurden.

Erst vor Kurzem konnten in München einwandfrei drei Kutschen dem ehemaligen kurpfälzischen Fuhrpark zugeschrieben werden. Aber auch in der ehemaligen Kurpfalz hat sich ein sehr bedeutendes Exemplar bis heute erhalten. Es handelt sich dabei um eine Jagd- und Carousel-Chaise des Kurfürsten Carl Theodor.

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