Das Bilanz-Interview zu den SWR Festspielen (mit Fotostrecke)

Schwetzinger SWR Festspiele zu Ende: Begeisterung war spürbar

Die Jubiläumssaison der Schwetzinger SWR Festspiele ist zu Ende. Zeit, zusammen mit der künstlerischen Leiterin Heike Hoffmann auf die Saison zurückzublicken. Die fast geplatzte Orchesterhauptprobe und krankheitsbedingte Umbesetzungen im Hintergrund lassen den Aufwand erahnen, den sie und ihr Team betreiben. Bis 2024 bleibt sie im Boot.

Von 
Jürgen Gruler
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Kurz nach dem wunderbaren Auftritt gibt’s noch ein Foto mit Oberbürgermeister Dr. René Pöltl (v. l.), Pianist Andreas Grau, Festspielchefin Heike Hoffmann, Schauspieler Klaus Maria Brandauer und Pianist Götz Schumacher. © SWR/Vanessa Axt

Schwetzingen. Nach vier Wochen sowie 47 hochkarätigen Konzerten und Musiktheateraufführungen gingen am Samstagabend die Schwetzinger SWR Festspiele – deren 70-jähriges Bestehen unter dem Motto „Arkadien“ gefeiert wurde – mit einer musikalischen Lesung von Klaus Maria Brandauer und dem GrauSchumacher Piano-Duo erfolgreich ins Finale. Mehr als 12 000 Besucher besuchten die Veranstaltungen, was in einer Gesamtauslastung von fast 80 Prozent resultierte. Das war früher besser, ist aber der Zurückhaltung nach Corona geschuldet. Die künstlerische Leiterin Heike Hoffmann zieht im Exklusiv-Interview mit unserer Zeitung vom Sonntag eine positive Bilanz.

Uff, das war ja ein richtiger Kraftakt, die Jubiläumsfestspiele 2022 – mit neuem Team, Krankheiten und Verletzungen. Haben Sie und Ihr Team es einigermaßen überstanden?

Klaus Maria Brandauer mit GrauSchumacher bei den SWR Festspielen 2022. © SWR/Martin Lutz

Heike Hoffmann: Ja, wir sind alle rechtschaffen müde, aber sehr glücklich, dass alles so gut geklappt hat und wir nun auf künstlerisch hochklassige und pannenfreie Festspielwochen zurückblicken können. Es war schon eine besondere Herausforderung, der sich aber alle im Team mit Freude, großem Engagement und Durchhaltevermögen gestellt haben.

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Uns hat überrascht, dass in Sachen Corona alles so gut gegangen ist.

Heike Hoffmann: Uns – ehrlich gesagt – auch. Es gab hinter den Kulissen etliches abzufangen und umzubesetzen, aber letztlich ist keine Veranstaltung aufgrund von Corona ausgefallen. Und ich denke, das Publikum hat sich wohlgefühlt, auch, nachdem die Maskenpflicht gefallen ist. Viele haben aus eigener Entscheidung in den voll besetzten Sälen weiterhin Masken getragen, aber der von vielen Menschen als Bevormundung empfundene Zwang war weg und die Stimmung wurde zunehmend gelassener. Das warme Wetter und der blühende Schlossgarten haben sicher auch dazu beigetragen, dass sich endlich wieder die so schmerzlich vermisste Festspielatmosphäre eingestellt hat.

Gibt’s was, was Sie ewig in Erinnerung behalten?

Heike Hoffmann: Wahrscheinlich die öffentliche Generalprobe der Orchesterakademie des SWR Symphonieorchesters, als zum geplanten Beginn das halbe Orchester und der Dirigent fehlten, weil sie im Stau auf der vollgesperrten Autobahn steckengeblieben waren. Ebenso übrigens wie der Bus mit dem aus Stuttgart anreisenden Publikum. Wir haben dann für die anwesenden Gäste eine kleine Einführung improvisiert, das Orchester hat die Mikrofonprobe einstweilen ohne Dirigenten begonnen, das Fernsehen die Kameraprobe für den Livestream auch. Die Nervosität war schon groß, aber am Ende hat dann alles bestens geklappt.

Vor allem szenisch gab es ja dieses Jahr jede Menge zu erleben.

Heike Hoffmann: Wir haben insgesamt fünf szenische Produktionen gestemmt, neben der Uraufführungsoper „Kapitän Nemos Bibliothek“ von Johannes Kalitzke endlich Guiseppe Gazzanigas Dramma giocoso „L’Isola d’Alcina“. Dann im pandemiebedingt dritten Anlauf „Force & Freedom“ mit Nico and the Navigators, das Melodram „Medea“ von Johann Georg Benda in der „Mannheimer Fassung“ und – nicht zu vergessen –„Beethovens Planeten“, eine szenische Produktion für unsere jüngsten Besucher. Alle Produktionen waren aus meiner Sicht künstlerisch gelungen und haben ein begeistertes Publikum gefunden. „Nemo“ ist übrigens im Juli bei den Bregenzer Festspielen nochmals zu erleben, die „Alcina“ ab Oktober im Oldenburgischen Staatstheater.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Andreas Sturm fachsimpelt mit Klaus Maria Brandauer über Shakespeare. © Busse

Bekommen Sie eigentlich nach den Veranstaltungen Zuschauerreaktionen? Was hat die Leute da 2022 am meisten bewegt?

Heike Hoffmann: Ja, die bekomme ich sogar recht häufig. Oft schon in der Pause oder dann nach dem Konzert. Auch E-Mails, sogar Blumen. Am meisten hat wohl in diesem Jahr alle bewegt, dass es endlich wieder möglich ist, Konzerte live zu erleben. Das unmittelbare Erleben der Künstler, die Spannung im Saal, das hat unserem Publikum und natürlich auch uns am meisten gefehlt. Ich habe mit großer Freude viele bekannte Gesichter wieder gesehen. Und die Begeisterung über das, was unsere Künstlerinnen und Künstler geboten haben, war überall spürbar. Gerade unkonventionelle Programmkonstellationen mit weniger bekannten Werken finden beim anspruchsvollen Schwetzinger Publikum lebhafte Resonanz.

Wie sind die Hörstationen zum Jubiläum und die Klanginstallation in der Moschee angekommen?

Heike Hoffmann: Sehr gut. Die Klanginstallation „Alla Turca“ von Christina Kubisch hat der spektakulären visuellen Erscheinung der Moschee eine akustische Dimension hinzugefügt, die uns den Ort ganz neu und anders erleben lässt. Und was den Audio-Parcours betrifft, so war es toll zu beobachten, wie die Parkbesucher stehengeblieben sind und aufmerksam gelauscht haben. Diese Hörstationen wollen wir übrigens im kommenden Jahr weiter nutzen. Ich habe Studierende der Mannheimer Kompositionsklasse des in Schwetzingen lebenden Komponisten Sidney Corbett eingeladen, dafür ein künstlerisches Projekt zu entwickeln und bin schon sehr gespannt auf das Ergebnis. Ich finde es auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit wichtig, dass wir die Hörstationen mit anderen Inhalten weiterbespielen.

Gudrun Wuttke war eigens mit ihren beiden Töchtern aus Konstanz angereist, um Klaus Maria Brandauer mal wieder zu sehen. Er signierte im Schlossrestaurant "Theodors" bei Flammkuchen und einem Bierchen bereitwillig das mitgebrachte Buch. © Jürgen Gruler

Wie ist es denn wirtschaftlich für 2022 ausgegangen?

Heike Hoffmann: Ganz genau kann ich das erst in einigen Wochen sagen, wenn alles abgerechnet ist, aber wir waren natürlich darauf eingestellt, dass wir – wie alle Veranstalter – infolge der Pandemie nicht mit vollen Ticketeinnahmen rechnen können. Gemessen an dem, was wir realistischerweise erwartet hatten, sind wir extrem zufrieden. Unterm Strich rechne ich nicht mit einem Defizit, denn wir hatten ein gewisses finanzielles Polster durch die in den vergangenen beiden Jahren ausgefallenen Opernproduktionen.

Über welchen Künstler haben Sie sich dieses Jahr besonders gefreut?

Heike Hoffmann: Über ausnahmslos jeden Künstler und jede Künstlerin, die in den vergangenen vier Wochen hier aufgetreten sind und uns mit ihrer Kunst beschenkt haben. Nach diesen zwei Jahren im Ausnahmezustand waren es für alle – ob auf der Bühne, hinter den Kulissen und im Publikum – ganz besonders kostbare Stunden. Jenseits der hohen künstlerischen Qualität, die wir in allen Veranstaltungen hatten, gab es auch etliche Sternstunden, die wohl jedem, der das Glück hatte, dabeisein zu können, lange im Gedächtnis bleiben werden: Für mich waren das vor allem die Abende mit Isabelle Faust und Alexander Melnikov, die sensationelle Julia Lezhneva, die Quartette Belcea, Ebène und Casals, Marina Galic als Medea, der Vater-Sohn-Liederabend mit Christoph und Julian Prégardien, aber auch „Force & Freedom“ und nicht zu vergessen den phänomenalen Klavierabend mit Martin Helmchen in der ersten Festspielwoche oder Bruno de Sà, der brasilianische Sänger mit der seltenen Gabe einer Sopranstimme. Und Klaus Maria Brandauer zusammen mit dem GrauSchumacher Piano-Duo ist ohnehin eine Klasse für sich. Ein schöner Abschluss. Wie schön, dass man alles nochmals auf SWR2 und in der Mediathek nachhören kann.

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Nach den Festspielen ist vor den Festspielen. Was haben Sie für 2023 schon in trockenen Tüchern?

Heike Hoffmann: Das Programm steht natürlich, die letzten, etwas ruhigeren Tage haben wir schon genutzt, um die Vorbereitungen für die Veröffentlichung des Programms im Herbst zu treffen. Allzu viel möchte ich aber natürlich noch nicht verraten, vielleicht nur soviel: Wir bringen endlich die verschobene Uraufführung von Isabel Mundrys Oper „Im Dickicht“ heraus und arbeiten an einer spannenden Opernwiederentdeckung aus dem 18. Jahrhundert mit der Akademie für Alte Musik –erstmals in Kooperation mit dem Nationaltheater Mannheim. Das Rokokotheater wird ja vom kommenden Jahr an Interimsspielstätte des NTM wegen des großen Umbaus in Mannheim. Da lag es nahe, die Kräfte zu bündeln, und ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit.

Wie lange bleiben Sie uns als künstlerische Leiterin der Schwetzinger Festspiele noch erhalten?

Heike Hoffmann: Meine letzte Festspielausgabe ist wie geplant 2024, dann habe ich acht Programme in Schwetzingen gemacht und es ist aus meiner Sicht Zeit für eine neue Handschrift. Und ich selbst blicke dann auf mehr als 47 Jahre intensiver beruflicher Tätigkeit im Musikleben zurück und freue mich auf die Zeit und die Freiheit, die dann kommt.

Vom 28. April bis 28. Mai 2023 ist die nächste Saison geplant. Das Programm wird im November veröffentlicht, der Vorverkauf beginnt am 6. Dezember.

 

Sagt nach 2024 ade: Heike Hoffmann. © SWR/WITT
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Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

Thema : Schwetzinger SWR Festspiele

  • Schwetzingen Einzigartige Klangreise mit dem Duo Gambelin bei den Schwetzinger Festspielen

    Das Duo Gambelin möchte sich nicht festlegen, weder auf eine Epoche, noch einen Stil oder ein herkömmliches Ensemble. So entstand beim SWR-2-Konzert „Grenzgänge Gambelin“ innerhalb der SWR Festspiele ein einzigartiger Klang zwischen Instrumenten, die in verschiedene Jahrhunderte einzuordnen sind. Geht es nach Lucile Boulanger, so darf und sollte man mit der Viola da Gamba nicht nur historische Aufführungspraxis betreiben, sondern auch in zeitgenössischer Musik ihre Schönheit zeigen. Zusammen mit Christian Elin ist ein Duo entstanden, das die Grenzen zwischen Renaissance und Barock auf der einen Seite und Jazz und zeitgenössischer Musik andererseits verwischt. Elin zeigte sich am Mittwochabend als Virtuose an der Bassklarinette und am Sopransaxofon, überraschte aber auch mit eigens für dieses Ensemble entstandenen Kompositionen. Zunächst zeigte das Gambelin-Duo, dass diese Kombination an Instrumenten durchaus mit der Musik des 16. Jahrhunderts vereinbar ist. Bedächtig eröffnete Boulanger mit einem Werk von Diego Ortiz, in dem Elin bald die zweite Stimme übernahm. Lockere Rhythmen erklangen in der Bearbeitung der „Recercada segunda“ und ließen das fast 500 Jahre alte Stück in einem neuen Licht erstrahlen. Ein erster kräftiger Applaus zeigte hohe Anerkennung, bevor das Duo einen Zeitsprung in die Gegenwart, zu Elins eigener Komposition machte: „La Chiesetta“ für Viola da Gamba und Bassklarinette war eines von mehreren Stücken des Interpreten und Komponisten, die die Zuhörer begeisterten. „Das Programm hat sich über viele Jahre entwickelt – sowohl meine Kompositionen als auch die Kompositionen der Alten Musik, die man ausprobiert. Das Besondere ist, diese Klänge herauszuarbeiten, zum Beispiel die Pizzicato-Klänge an der Viola da Gamba, wie sie sich kombinieren lassen mit einem Sopransaxophon ganz fein.“ Nach den verspielten Verzierungen, die bei Sieur de Sainte-Colombe und allgemein im 17. Jahrhundert üblich waren, glitt das Duo nahtlos wieder in die Gegenwart mit dem „Nebelmeer“ von Elin. Hier bildeten der helle Klang des Sopransaxofons über dem gleichbleibenden rhythmischen Muster der Viola da Gamba ein gegensätzliches und einander ergänzendes Paar. Besonders im Programm war auch die Bearbeitung von Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen, aus denen das Duo virtuos Aria, Variation 1, 13 und 7 präsentierte. War die Melodie den meisten Klassikkennern bekannt, so machte der neue Klang einen gewissen Reiz aus, den man nur beim ersten Kennenlernen des Meisterwerks empfindet. Während Elin in der nächsten Eigenkomposition mit einem technisch ausgefeilten Solo am Sopransaxofon das Publikum zum Staunen brachte, verschwand Boulanger im Künstlerzimmer, um den nächsten Protagonisten des Abends auf die Bühne zu holen. Als Elin die 13-saitige Lira da Gamba zum ersten Mal gehört habe, sei er sofort begeistert gewesen, erklärte er dem Publikum. Dieses Instrument sei selten solo und noch seltener in Kombination mit der Bassklarinette zu hören. In „Líncantesimo del profumo di legno“ schien die Bassklarinette von einem ganzen Streichorchester begleitet zu sein. Der experimentierfreudige Komponist hat bereits vier CDs mit seinen Werken veröffentlicht. Mit Boulanger entstand vor zwei Jahren ein Duo. Als Preisträgerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe gilt sie als Virtuosin ihres Fachs. In einem Solo für Viola da Gamba des Komponisten Carl Friedrich Abel (1723 – 1787) zeigte sie technische und künstlerische Perfektion. Mit Leichtigkeit spielte sie das Allegro und mit geschlossenen Augen fühlte sie jeden Ton des Moderatos. Nach einem großen gemeinsamen Finale mit Elins „Recercada primeira“, gewährte das Gambelin-Duo gerne noch eine Zugabe. Info: Das Konzert wird noch einmal am Donnerstag, 25. Mai, um 13.05 Uhr im SWR 2 ausgestrahlt.

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