Schwetzingen. Tritt René Pöltl nochmals zur Wahl des Schwetzinger Oberbürgermeisters an? Das war die meist gestellte Frage vor dem Neujahrsempfang der Stadt. Aber gleich nach der Verkündung, dass er nicht weitermachen will, stellte sich die Frage: „Wer tritt noch an?“ Denn davon, dass Bürgermeister Matthias Steffan seinen Hut in den Ring werfen wird, gingen zumindest an diesem Abend die meisten Besucher aus. Der meistgenannte Name außer Matthias Steffan war der Grünen-Landtagsabgeordnete und Umweltstaatssekretär Dr. Andre Baumann. Grund genug, ihn zu einem Redaktionsgespräch einzuladen und mit ihm über die Kandidatur und sein Engagement für unsere Region in der Landeshauptstadt Stuttgart zu sprechen.
Geben Sie es zu, Sie wollen Oberbürgermeister in Schwetzingen werden?
Andre Baumann: Ich habe seit der Spekulation in der Schwetzinger Zeitung, die von mehreren überregionalen Blättern aufgegriffen wurde, viel Zuspruch bekommen. Eitelkeit ist zwar eine Sünde, aber ich freue mich, dass man mir das Amt des Oberbürgermeisters in meiner Heimatstadt zutraut. Aber ich sage ganz klar: Mein Platz ist in Stuttgart im Landtag und im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. Dort werden derzeit die wichtigsten Zukunftsaufgaben fürs Land und damit für unsere Region entschieden. Zusammen mit Ministerpräsident Kretschmann haben wir schon viele Weichen gestellt, da kann ich viel mitgestalten. Ich glaube, im Sinne unserer Region und meiner Heimatstadt Schwetzingen dort einiges bewegen zu können. Im Übrigen bedauere ich sehr, dass René Pöltl nicht weitermacht. Wir haben auf vielen Ebenen gut zusammengearbeitet. Gleichzeitig ist es hochrespektabel, sich so zu entscheiden, insbesondere wenn es gut läuft.
Wird es aus dem Dunstkreis der Grünen einen anderen Kandidaten geben?
Baumann: Sicherlich hat es da bereits das eine oder andere Gespräch gegeben. Derzeit spricht einiges dafür, dass der bisherige Erste Bürgermeister Interesse hat, den Chefsessel zu übernehmen. Er bringt sich stark in die politischen Diskussionen ein.
Gibt es in der Landespolitik gerade ein besonderes Herzensanliegen von Ihnen, das Sie für Schwetzingen besonders anstreben?
Baumann: Ja, eine direkte Schienenverbindung von Schwetzingen nach Heidelberg, die die Fahrzeit auf zehn Minuten verkürzen würde. Und die würde ja auch großen Nutzen für die Menschen im Bereich HoRAN und für Oftersheim bringen. Auch für Heidelberg wäre das wichtig, denn die Orientierung der Bürger in Richtung Mannheim in Sachen Arbeitsplätze hängt meiner Ansicht nach auch damit zusammen, dass es dorthin eine schnelle, umsteigefreie Schienenverbindung gibt, nach Heidelberg aber nicht. Die Metropolregion braucht endlich einen so leistungsfähigen ÖPNV, wie ihn Stuttgart und Karlsruhe schon lange haben. Meines Wissens liegt inzwischen die Potenzialstudie für diese Verbindung im Verkehrsministerium in Stuttgart vor. Die Studie wird hoffentlich zeigen, dass eine eng getaktete Direktverbindung, für tausende Menschen eine Verbesserung bringt, die dann auf den ÖPNV umsteigen könnten. Dann muss aber noch die neue Gleiskurve bei Friedrichsfeld gebaut werden.
Und wie sehen Sie den Neubau einer Trasse für den Güterverkehr der Bahn in der Region?
Baumann: Ich bin froh, dass in dieser Sache alle Abgeordneten aus der Region, egal ob im Landtag oder im Bundestag, sich eng abstimmen und zusammen agieren. Auch die Bürgermeister und der Landrat sind da auf einer Linie. Wir dürfen uns nicht politisch auseinanderdividieren lassen. Klar ist aber auch, dass die Bahn die zwei zusätzlichen Gleise braucht.
Das ist ja nicht die einzige Trasse, die derzeit diskutiert wird?
Baumann: Ein wenig stolz bin ich darauf, dass eine ganz neue Stromtrasse bei Reilingen verhindert werden konnte. Es findet stattdessen eine Verstärkung auf der alten Trasse entlang der alten B 36 beim Vogelparadies der Waghäuseler Klärteiche statt. Ich konnte mich erfolgreich einbringen, weil ich das Vogelschutzgebiet, an der die bisherige Trasse entlangführt, gut kenne. Während meiner Schulzeit war ich dort regelmäßig unterwegs, um Vögel zu beobachten. Über all die Jahre hat die Stromleitung nicht gestört. Naturschutzrechtliche Bedenken konnte ich so bei den zuständigen Behörden zerstreuen. Meine Ornithologie-Kenntnisse und meine Zeit bei den Naturschutzverbänden haben dabei geholfen.
Natur- und Klimaschutz rücken immer stärker in den Fokus der Menschen. Welche Projekte sind ihnen da in der Region wichtig?
Baumann: Die Klimaveränderung wird bei uns deutlich sichtbar. Wir müssen darum von fossilen hin zu erneuerbaren Energieträgern. Bei uns in der Region heißt dies: Weg vom Kohlekraftwerk Mannheim und hin zu Windrädern, Photovoltaik und einer erneuerbaren Wärmeversorgung.
Sie sind ja ein starker Befürworter der Tiefengeothermie?
Baumann: Das Mannheimer Großkraftwerk soll im Jahr 2030 aus dem Leistungsbetrieb gehen. Gut 160.000 Haushalte hängen über die Fernwärme am Großkraftwerk. Mit einem Mix der Wärme von Flusswärmepumpen, eines Holzschnitzel-Kraftwerks, des Müllkraftwerks und drei Geothermie-Anlagen kann die Wärme des Kohlekraftwerks ersetzt werden. Tiefengeo-thermie ist wichtig für die Grundlast der zukünftigen Versorgung des Fernwärmenetzes. Erdwärme ist ständig verfügbar, unerschöpflich, sicher und bezahlbar. Es ist aber auch klar, dass die Geothermie-Unternehmen die Sorgen der Menschen sehr ernst nehmen müssen. Sicherheit hat höchste Priorität. Denn sollten in Baden-Württemberg bei einem der Geothermie-Projekte Schäden beim Betrieb entstehen, dann wäre das Vertrauen in die Geothermie nachhaltig beschädigt. Geohardt hat vor Ort den existierenden Vertrauensvorschuss durch schlechte Kommunikation erstmal verspielt. Jetzt muss gut gearbeitet werden: Die seismischen Daten für die 3-D-Seismik werden gerade ausgewertet. Diese Daten sind wichtig, um zu ermitteln, wo genau die Geothermie-Bohrungen stattfinden können. Mit einem genauen Blick in den geologischen Untergrund können aber auch seismische Risiken ausgeschlossen und der wirtschaftliche Betrieb optimiert werden. Teil der Wertschöpfung könnte auch das Lithium sein, das ein begehrter Rohstoff bei der Mobilitätswende ist. In der Geothermieanlage in Bruchsal hat eine Forschungsanlage des KIT sehr gute Ergebnisse gebracht. Bei der Geothermie geht in meinen Augen Sicherheit vor Schnelligkeit – und alle Schritte müssen ja mit dem Bergamt abgestimmt und genehmigt werden. Ich befürworte hier eine enge Zusammenarbeit aller Unternehmen, die die Technologie im Oberrheingraben nutzen wollen, um Risiken zu minimieren und Schäden zu vermeiden. Mir konnte bisher niemand erklären, wie wir hier in der Region die Wende bei der Wärmeversorgung schaffen können ohne die Geothermie.
Gibt es denn einen neuen Stand zur geplanten Auskiesung des Entenpfuhls?
Baumann: Nein. Der Entenpfuhl ist im Regionalplan der Metropolregion nach wie vor als Vorrangfläche für die Rohstoffgewinnung ausgewiesen. Ich hatte den Planungsverband aufgefordert, das zu ändern. Denn hier befindet sich eines der wichtigsten Trinkwasservorkommen Nordbadens. Da würde eine Kiesgewinnung Gefahren bergen. Ich glaube darum nicht daran, dass die Kiesgewinnung hier kommen wird. Es wäre sehr sinnvoll, den Regionalplan zeitnah zu ändern und andere Vorranggebiete für den Kiesabbau auszuweisen. Dann wäre klar: Im Entenpfuhl entsteht kein Baggersee und Windenergieanlagen könnten geplant und gebaut werden. Ich sehe, dass Ketsch und Schwetzingen eine Auskiesung des Entenpfuhls ablehnen, bei kommunalen Bauvorhaben aber weiterhin die Verwendung von Kiesbeton ermöglichen. Das passt nicht zusammen. Kies- kann durch Recycling-Beton ersetzt werden. Das ist Stand der Technik. Und teurer ist dies auch nicht. Die Städte und Gemeinden in der Region sollten sich ein Beispiel nehmen an Bad Saulgau. Dort hat man sich gegen eine Auskiesung gewehrt und gleichzeitig für alle Bauvorhaben schon in der Ausschreibung die Verwendung von Recycling-Beton vorgeschrieben. In Bad Saulgau sind Bauvorhaben nicht wie befürchtet teurer, sondern sogar günstiger geworden! Das wäre auch bei uns nur konsequent, denn in unserer Region wird ebenfalls viel abgerissen und in Mannheim gibt es ein erstes R-Betonwerk. Ideal wäre es, wenn die Metropolregion eine Art Börse einrichtet und so Bauherren, die abreißen mit solchen, die bauen wollen, vernetzen könnte, um auf kürzestem Weg Recycling-Material wiederverwenden zu können. Das darf man nicht dem Zufall überlassen.
Sie sagten ja, dass der Klimawandel bei uns sichtbar sei. Das gilt ja im besonderen Maße für die Wälder um Schwetzingen und auch für den Schlossgarten?
Baumann: Unser Schwetzinger Hardtwald ist der in Baden-Württemberg am stärksten vom Klimawandel betroffene Wald. Der als Waldschutzgebiet ausgewiesene Hardtwald ist quasi Klimawandel-Versuchslaboratorium. Durch die große Hitze, den trockenen und nährstoffarmen Sandboden sehen wir bei uns, was in anderen Regionen des Landes erst in fünf, zehn oder 20 Jahren kommen wird. Buchen und Kiefern sterben bei uns ab, Neupflanzungen müssen bewässert werden, damit die Bäume überhaupt anwachsen – das ist deutschlandweit einmalig. Ich setze mich da ganz lokalpatriotisch für Rettungsmaßnahmen ein, damit auch meine Enkel noch durch einen Wald mit Bäumen laufen können.
Und der Schlossgarten, der letztes Jahr teilweise gesperrt werden musste wegen Bruchgefahr?
Baumann: Ich erinnere mich gut an die Zeit als junger Naturschützer im Nabu Schwetzingen. Damals wurden kranke Bäume im Schlossgarten nicht saniert, sondern gefällt. Beispielsweise sollte die Kastanienallee in der Zähringerstraße vollständig gerodet und durch neue Bäume ersetzt werden. Die schönsten und ältesten Kastanien konnten gerettet werden, weil ich in diesen Bäumen den geschützten Körnerbock kartieren konnte. Die alten Bäume stehen heute noch. Heute wird anders mit Alleen umgangen: Nur einzelne Bäume werden gefällt und nur diese werden nachgepflanzt. Ich konnte damals dutzende alte Bäume durch Kartierung erhalten. In der schräg über den Weiher sich neigende uralte Platane konnte ich beispielsweise ein Quartier der Wasserfledermäuse nachweisen. Sie wäre auch nie auf Besucher gefallen, sondern in den Weiher. Ich habe als Biologie-Student damals einen Kernbohrer gekauft, um notfalls per Gerichtsbeschluss feststellen zu lassen, ob bestimmte alte Bäume innen hohl sind und damit bruchgefährdet oder eben nicht. Was die Bäume im Schlossgarten betrifft, muss ich leider sagen, dass die schlimmsten Prognosen beim Klimawandel übertroffen werden. Die Buchen und andere Baumarten sterben ab. Der Baumbestand an der Feldherrenwiese im Englischen Garten sieht besonders schlimm aus, weil auch dies eine alten Sanddüne ist. Ich bin deshalb dankbar, dass die Schlossverwaltung konsequent Maßnahmen ergreift, alte Bäume zu erhalten und junge Bäume so zu pflanzen, dass sie fit für den Klimawandel sind. Man experimentiert mit Holzkohle im Boden, die Feuchtigkeit besser speichern kann.
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