Im Interview

Die Finanzlage der Gemeinde Oftersheim ist ernst

Bürgermeister Pascal Seidel und Kämmerin Sylvia Fassott-Schneider beleuchten im Gespräch mit dieser Zeitung, welche Herausforderungen die Gemeinde Oftersheim in Zukunft zu bewältigen hat.

Von 
Lukas Heylmann
Lesedauer: 
Pascal Seidel und Sylvia Fassott-Schneider geben im Büro des Bürgermeisters Einblicke in die derzeitigen und zu erwartenden Finanzen der Gemeinde. © Heylmann

Oftersheim. Im laufenden Haushaltsjahr rechnet die Gemeinde Oftersheim mit einem Fehlbetrag von fast 3,5 Millionen Euro. Sollte die Kommune tatsächlich einen Kredit in Höhe von 5 Millionen Euro aufnehmen - was der Planung nach möglich wäre - würden Oftersheims Schulden zum Ende des Jahres auf 7,68 Millionen Euro steigen.

Das Kommunalrechtsamt hat der Verwaltung den Hinweis gegeben, dass die Ertragsseite der Gemeinde steigen müsse. Was das bedeutet und welche Möglichkeiten Oftersheim überhaupt hat, erklären Bürgermeister Pascal Seidel und Kämmerin Sylvia Fassott-Schneider im Interview mit dieser Zeitung.

Bevor wir auf das Thema Einnahmen blicken: Was sind denn die großen Ausgabenbereiche der Gemeinde Oftersheim?

Pascal Seidel: Für das aktuelle Jahr gibt es einiges an Mehrausgaben. Es stehen zum Beispiel Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst und in den Kindergärten an. Letzteres steigert auch dann unsere Ausgaben im Bereich der konfessionellen und freien Träger. Dazu kommen die höheren Kreis- und Zweckverbandsumlagen.

Mehr zum Thema

Bündnis 90/Die Grünen

Klimaschutz in Oftersheim: Grüne wollen mehr Photovoltaik-Anlagen

Veröffentlicht
Von
Marcus Oehler
Mehr erfahren
Faktencheck

Wie Oftersheimer Geld und CO2 gleichzeitig einsparen können

Veröffentlicht
Von
Lukas Heylmann
Mehr erfahren
Gemeinderat

Sozialer Wohnraum in Oftersheim: Mietanpassung „schweren Herzens“ beschlossen

Veröffentlicht
Von
Lukas Heylmann
Mehr erfahren

Sie haben in der jüngsten Gemeinderatssitzung einen Hinweis des Kommunalrechtsamtes angesprochen, dass Oftersheim seine Einnahmen steigern müsse. Können Sie für die Bürger genauer erläutern, was das bedeutet?

Seidel: Nachdem wir unseren Haushalt beschließen, geht er an die Rechtsaufsicht. Das ist das Kommunalrechtsamt des Landratsamtes, das den Gesamthaushalt und die mittelfristige Finanzplanung prüft. Dann gibt das Amt eine Rückmeldung zur finanziellen Situation der Gemeinde. Schon in den vergangenen Jahren, in denen die Planungen ebenfalls negativ waren, kam immer die Einschätzung zurück, dass es in Oftersheim ein strukturelles Problem gibt. Wir haben dauerhaft mehr Ausgaben als Einnahmen in unserem Ergebnishaushalt. Wie bei einem privaten Haushalt auch würde das auf Dauer nicht gut gehen. Deshalb gibt uns das Kommunalrechtsamt diesen Hinweis. Andere Kommunen bekommen beim Haushalt sogar Auflagen - das war in Oftersheim bisher nicht der Fall. Das Ergebnis war bei uns immer besser als die Planung, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Gemeinde mehr Einnahmen hatte, sondern zum Beispiel nur, dass Projekte verschoben wurden, die dann später trotzdem erfolgen.

Sylvia Fassott-Schneider: Es braucht natürlich ein Gleichgewicht. Wir müssen einsparen und zeitgleich sicherstellen, dass wir die Ertragsseite erhöhen.

Mehr zum Thema

Gemeinderat und Haushalt

Schulden in Oftersheim: Mögliche Kreditaufnahme von 5 Millionen Euro

Veröffentlicht
Von
Lukas Heylmann
Mehr erfahren
Bildung

Oftersheimer Büchereileiterin: „Medienkompetenz ist mehr als Netflix“

Veröffentlicht
Von
Lukas Heylmann
Mehr erfahren
Rückblick

Das Jahr 2023 in Oftersheim: Klimaschutz, Sanierungen, Kurpfalzhalle

Veröffentlicht
Von
Lukas Heylmann
Mehr erfahren

Sie haben ein strukturelles Problem erwähnt. Woran liegt es, dass Oftersheim offensichtlich seit Jahren keine besonders hohen Erträge hat?

Fassott-Schneider: Wir hängen letztendlich am Tropf des Landes. Die eigenen Steuereinnahmen liegen derzeit bei vier Millionen Euro - wenn man das mit 38 Millionen Euro Ausgaben vergleicht, sieht man die Diskrepanz deutlich. Zudem sind wir abhängig von den Einkommenssteueranteilen. Wir haben nur wenige eigene Möglichkeiten, Einnahmen zu steigern und man will den Bürger auch nicht über Gebühr belasten. Aber die Aufwendungen sind da. Wir müssen zum Beispiel die gute Infrastruktur aufrechterhalten, die Oftersheim hat. Da kommt die Differenz her.

Seidel: Dazu kommt noch unser großer kommunaler Wohnungsbestand. Den müssen wir als Gemeinde unterhalten - erst einmal grundsätzlich und zusätzlich gehen wir jetzt die energetische Sanierung der Gebäude an. Dafür bekommen wir eine Förderung, aber die macht nur einen Teil aus.

Mehr zum Thema

Gemeinderat

Klimaschutzförderung in Oftersheim: Weniger Geld für Balkonkraftwerke

Veröffentlicht
Von
Lukas Heylmann
Mehr erfahren
Gemeinderat

Fahrradfreundlicher Infrastruktur-Ausbau in Oftersheim ausgebremst

Veröffentlicht
Von
Nicolai Lehnort
Mehr erfahren
Finanzen

Kreditaufnahme sorgt für Uneinigkeit im Oftersheimer Gemeinderat

Veröffentlicht
Von
Lukas Heylmann
Mehr erfahren

Welche Möglichkeiten haben Gemeinden überhaupt, ihre Erträge zu steigern?

Fassott-Schneider: Primär müssen wir dafür sorgen, dass wir Zuschüsse und Zuwendungen bekommen. In Zukunft soll ein Sachbearbeiter oder eine Sachbearbeiterin sich ganz konzentriert um das Zuschusswesen kümmern. Es gibt viele Fördertöpfe, die nicht sehr bekannt sind oder bei denen die Zugänge schwieriger sind. Wenn sich darum jemand kümmert, können wir womöglich mehr Einnahmen generieren. Wir sind in der Hinsicht aber schon gut aufgestellt. Das nächste Thema sind Gebühren. Man kann versuchen, bei allem 100 Prozent Kostendeckung zu erzielen. Aber das ist schwer und beinhaltet politische Abwägungen.

Seidel: Ganz genau. Wir leben in einer Zeit, die stark mit Kostensteigerungen verbunden ist, nicht nur wenn ein Bürger ein Anliegen bei der Kommune hat. Auch für uns als Gemeinde sind die Kosten gestiegen. Deshalb müssen wir uns die Gebühren immer anschauen und eventuell Anpassungen vornehmen - nicht übertrieben, aber es ist die Marschroute.

Fassott-Schneider: Die letzte Anpassung der Verwaltungsgebühren erfolgte 2008 oder 2009, also vor etwa 15 Jahren. Das wird also ein Schwerpunkt dieses Jahr. Wir werden damit sicher nicht den Haushalt sanieren, aber es sind kleine Schritte in die richtige Richtung. Es bleibt eine Gratwanderung, abzuwägen, was aus finanzieller Sicht wünschenswert und was dem Bürger tatsächlich zumutbar ist.

„Unseren Wald werden wir natürlich nicht antasten“, betont der Oftersheimer Verwaltungschef Pascal Seidel in Hinblick auf die mögliche Ansiedlung neuen Gewerbes auf Gemeindegemarkung. © Michael Wiegand

Geht es da auch um Steuererhöhungen?

Fassott-Schneider: Das wäre ein weiterer Punkt. Wir diskutieren intern über die Grundsteuer, aber die kommende Reform schwebt wie ein Damoklesschwert über uns. Bürger haben Angst davor, dass sie dann das Vierfache zahlen müssen - und das wird sicher nicht passieren. Das Land fordert Aufkommensneutralität und die Kommunen werden sich daran orientieren. Aber um eine Erhöhung werden wir nicht herumkommen.

Seidel: Ich habe ja schon angekündigt, dass wir die Grundsteuer A und B angehen werden. Der Gemeinderat hat das bereits vordiskutiert. Aber die Bürger müssen wissen: Die Grundsteuerreform kommt erst danach. Wenn wir sie dann umsetzen müssen, werden wir das nicht anhand der neuen Hebesätze tun, sondern diese dann wieder heruntersetzen, um die Aufkommensneutralität zu gewährleisten.

Fassott-Schneider: Wir werden uns an dem orientieren, was die Gemeinde dann an Grundsteuer einnimmt. Wir haben eine Prognose angefertigt und der Hebesatz wird nach der Reform wieder deutlich nach unten korrigiert werden. Aber manche werden mehr zahlen als bisher, andere weniger. Das hängt nicht mit der Gemeinde zusammen, sondern mit den unterschiedlichen Messbescheiden.

Mehr zum Thema

Sommerinterviews (Teil 4)

CDU-Fraktion möchte „Oftersheim zukunftsfähig machen“

Veröffentlicht
Von
Lukas Heylmann
Mehr erfahren
Gemeinderat

Keine neue Zielvereinbarung zwischen Eppelheim und Heidelberg

Veröffentlicht
Von
Volker Widdrat
Mehr erfahren
Gemeinderat

Kurs beibehalten: Ketsch trotzt Millionen-Loch im Haushalt

Veröffentlicht
Von
Henrik Feth
Mehr erfahren

Wie ist es abseits der Grundsteuer?

Fassott-Schneider: Die Vergnügungssteuer haben wir schon erhöht. Bei der Gewerbesteuer sind wir eher zurückhaltend.

Seidel: Das liegt daran, dass wir bei der Gewerbesteuer in den vergangenen Jahren deutlich höhere Erträge hatten als eingeplant. Das bedeutet, dass es hier Gewerbetreibende gibt, darunter auch viele kleinere, die starke Ergebnisse erzielen. Dafür wollen wir sie ja nicht bestrafen, indem wir mehr fordern. Das wäre die Ultima Ratio, aber bisher sieht auch der Gemeinderat davon ab.

Sie haben die vielen kleineren Gewerbe in Oftersheim angesprochen. Gäbe es überhaupt Möglichkeiten, die Gemeinde zu einem größeren Gewerbestandort zu machen - auch im Hinblick auf höhere Steuereinnahmen?

Seidel: Wenn wir Platz hätten, ja. Der Gewerbepark Hardtwald ist zum Beispiel ein schönes Gewerbegebiet. Aber für mehr haben wir in Oftersheim nicht die Flächen. Wir hätten noch ein Areal in Richtung Plankstadt, das im Flächennutzungsplan enthalten ist. Aber das ist erschließungstechnisch nicht einfach, da es klein ist und solitär liegt - kein Kanal, kein Strom. Das wäre für die Größe also sehr aufwendig. Und unseren Wald werden wir natürlich nicht antasten.

Anmeldung Newsletter "Topthemen am Abend"

Anderen Kommunen geht es in Sachen Finanzen ähnlich, auch wenn die Probleme im Detail andere sind. Wie sieht Ihre Prognose für dieses Dilemma auf kommunaler Ebene aus?

Seidel: Die kommunalen Spitzenverbände sind sehr eng im Austausch mit dem Land. Wenn neue Aufgaben für die Kommunen geschaffen werden, dann muss von Bund und Land die finanzielle Ausstattung dafür kommen. Das nennt sich Konnexitätsprinzip: Wer bestellt, bezahlt. Das ist in den vergangenen Jahren stark auseinandergegangen. Ein Beispiel ist die Kinderbetreuung: Die Kostensteigerung für die Kommunen ist immens, die Einnahmen aus den Elternbeiträgen und den Zuweisungen sind aber nicht in gleichem Maße gestiegen. Vieles hängt auch davon ab, wie viel Bund und Land selbst durch Steuern einnehmen. Das ist eine Schicksalsgemeinschaft. Aber bevor Versprechen gemacht werden, würde ich es befürworten, wenn Bund und Land gemeinsam mit den Kommunen überprüfen, was diese eigentlich leisten können.

Wie ist die Prognose für Oftersheim spezifisch?

Seidel: Zwar gibt es die mittelfristige Finanzplanung, aber wir wissen nicht immer, ob wir Projekte, die wir heute geplant haben, morgen auch umsetzen können.

Fassott-Schneider: Die Einnahmen kann man auf der Basis von heute durchaus berechnen. Das Land gibt uns die Schlüsselzahlen vor. Wenn wir aber eine gute Einnahmenseite haben, zum Beispiel viel Gewerbesteuer, macht sich das negativ bei den Finanzzuweisungen bemerkbar, die deutlich sinken. Oder ein anderes Beispiel: Wenn die Konjunktur in den Keller geht, sinken auch unsere Einkommenssteueranteile. Zuweisungen und Einkommenssteuer zusammen ergeben einen Betrag von 17 oder 18 Millionen Euro. Das ist sehr volatil und wenn da etwas wegbricht, bekommen wir größere Probleme, den Haushalt auszugleichen. Aber wie Sie sagten: Oftersheim ist mit diesen Problemen nicht allein.

Die Ämter müssen eng zusammenarbeiten. © Alexander Kulagin

Wie bereitet man sich da optimistisch auf die Zukunft vor?

Seidel: Verwaltungsintern laufen viele Planungen - auch ämterübergreifend. Wir versuchen uns darüber abzustimmen, was ansteht und was wir überhaupt leisten können, auch personell. Das wollen wir so konkret wie möglich planen und dann nur die Mittel in den Haushalt aufnehmen, die wir voraussichtlich auch ausgeben werden.

Fassott-Schneider: Haushaltskonsolidierung ist das Stichwort für die nächsten Monate und Jahre. Wie der Bürgermeister sagt: Wir müssen frühzeitig planen.

Wie steht es um den Haushaltsabschluss 2023?

Seidel: Ich denke, dass das Ergebnis des Haushalts besser aussieht als geplant. Das war immer so, aber die Zahlen nähern sich mittlerweile einander an.

Fassott-Schneider: Die Gewinne werden nicht mehr so hoch sein wie in den vergangenen Jahren. Von diesen Zeiten müssen wir uns verabschieden.

Seidel (mit Augenzwinkern): Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung

VG WORT Zählmarke