Redaktionsgespräch

Geothermie in der Region Schwetzingen: „Wir brauchen noch etwas mehr Zeit“

Die Seismik hat Millionen Daten geliefert und ursprünglich sollte im Herbst über mögliche Standorte von Tiefengeothermieanlagen gesprochen werden. Die Geschäftsführer von Geohardt äußern sich dazu, wie es weitergeht.

Von 
Jürgen Gruler
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Chefredakteur Jürgen Gruler (Vordergrund) diskutiert angeregt mit Geohardt-Geschäftsführer Stefan Ertle (v. l.), Matthias Wolf (v.r.), dem MVV-Kommunikationsleiter Sebastian Ackermann (l.), der EnBW-Kommunikationsmanagerin Regina König (r.) und dem zuständigen Geologen Dr. Thomas Kölbel. © Eschwey

Region Schwetzingen. Was ist denn nun mit der Tiefengeothermie in der Region. Noch im Sommerinterview mit Dr. Roll von der MVV hieß es, dass im Herbst erste Ergebnisse der Seismikuntersuchungen vorgestellt und mögliche Standorte für bis zu drei Geothermieanlagen bekannt gemacht werden sollen. Aber der Herbst ist fast vorbei, der Winter steht vor der Tür und die Thermalwasservorkommen unter unseren Füßen ruhen weiterhin unberührt.

In einem spannenden, sehr offen geführten Redaktionsgespräch erzählten nun die beiden Geohardt-Geschäftsführer Stefan Ertle und Matthias Wolf, wie weit sie sind. Geologe Dr. Thomas Kölbel eröffnete einen kleinen Blick in die Datenwelt und gab seine Einschätzung darüber preis, wie gut geeignet unsere Region für die Tiefengeothermie ist.

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Fest steht, das selbst gesetzte zeitliche Korsett war wohl doch etwas zu eng gestrickt: „Wir brauchen noch etwas mehr Zeit“, sagt Geohardt-Geschäftsführer Stefan Ertle. Die Datenauswertung laufe noch und man sei nun dabei, die neuen Daten über die zu legen, die man aus der Brühler Bohrung ankaufen habe können. „Das gibt uns dann aber auch eine große Sicherheit. Es gibt wohl kaum eine Region, die so gut vermessen wurde, wie der Raum zwischen Plankstadt, Ketsch, Oftersheim und Mannheim“, lobt Matthias Wolf und sagt: „Wir sind davon überzeugt, hier Geothermieanlagen gut und sicher betreiben zu können.“

„Sehr gute Voraussetzungen“

Da springt ihm der Geologe bei. Denn Dr. Thomas Kölbel kennt ja die Datenlage und weiß, wie sich unser Untergrund zusammensetzt. „Die Voraussetzungen sind sehr gut. Nimmt man die Potenzialgebiete für Tiefengeothermie im Oberrheingraben, dann liegen wir hier im oberen Drittel. Das Wasser erreicht Temperaturen von bis zu 180 Grad, während es anderswo nur 130 Grad warm ist. Die Ergebnisse der Seismik haben uns gezeigt, wo es regelrechte Thermalwasserautobahnen gibt, die wir anzapfen können und wo nur dünnere Äste liegen. Die vielen Daten belegen alle verfügbaren Rechnerkapazitäten, aber sie reichen sehr tief und geben uns ein sehr genaues Bild über den geologischen Aufbau. Und der weicht doch ein wenig davon ab, wie es bisher vermutet wurde. Es war also sehr wichtig und richtig, dass wir intensiv gemessen haben“, sagt Kölbel. Und: „Wir haben hier ein so gute Datenlage, wie ich sie noch nie erlebt habe.“

Bleibt aber die Frage, warum man dann nicht jetzt schon sagen könnte, wo man gerne Anlagen bauen möchte? „Derzeit gleichen wir die vorliegenden Daten mit den anderen Standortfaktoren ab“, sagt Stefan Ertle. „Wir haben hier Landschafts- und Naturschutzgebiete, Wasserschutzbereiche, den Abstand zur Wohnbebauung, die Flächenverfügbarkeit, Überschwemmungsgebiete und auch das Thema Baurecht mit Innen- und Außenbereichen abzuwägen. Auch die Verfügbarkeit einer bereits vorhandenen Erdwärmeleitung spielt da eine gewichtige Rolle. Wir wollen nicht mögliche Standorte nennen, die wir dann aus diesen Gründen in absehbarer Zeit gar nicht verwirklichen könnten“, sagt er. Wenn wir nachfragen, wann das denn so weit ist, dann bleiben die Aussagen eher schwammig. Zumindest wehrt sich aber keiner am Tisch gegen unsere Prognose, dass man ja im Frühjahr so weit sein müsse, wenn man die gesteckten Ziele erreichen will, ab 2026 erste Anlagen in Betrieb zu nehmen.

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Versprochen wird jedenfalls eine bessere Kommunikation wie bisher. Ertle und Wolf machen nochmals auf das Dialogforum aufmerksam, bei dem ja Bürger und Experten einbezogen worden seien. Auch die Kommunalpolitik habe man informiert. In einer Broschüre und im Internet seien umfassende Informationen abrufbar. Im nächsten Schritt nun wolle man die Bürgermeister und Gemeinderäte in den Kommunen informieren, wie es in der Standortsuche weitergeht. Und man werde auch Bürgerversammlungen anbieten, bei denen dann jeder kommen könne, nicht nur ein ausgewählter Kreis. Ertle sagt: „Wir wollen den öffentlichen Entscheidungsprozess transparent gestalten. Wir sind da und jeder kann uns ansprechen.“

Da bohren wir gerne noch mal ein wenig nach und fragen, warum man denn nicht das bereits erfolgreich gebohrte Loch in Brühl nutzen wolle? Da könnte doch ganz schnell eine Anlage gebaut werden? „Das ist zwar richtig und durchaus schade, denn technologisch gesehen, war das alles gut gemacht. Aber die unklaren Besitzverhältnisse, die Tatsache, dass der neue Sportpark und die Bebauung nun so nah herangerückt wurde und der politische Wille des dortigen Gemeinderates eindeutig dagegen ist, lässt uns das nicht verfolgen“, sagt Matthias Wolf.

Bruchsal dient als Blaupause

Vor allem die Angst vor Erdbeben und vor Rissen in den Häusern ist ja das, was die Bürgerinitiativen im Raum gegen die Tiefengeothermie aufbringt. Und damit verbunden natürlich die Haftungsfrage. Dr. Thomas Kölbel ist sich nach den jetzigen Messergebnissen, die er kennt, aber absolut sicher, dass wir gerade hier bei uns eine sehr hohe Sicherheit haben: „Wir haben hier innerhalb des Oberrheingrabens eine mechanisch sehr ruhige Situation, das kommt uns sehr entgegen. Und für die Art der Bohrung und die Wiedereinbringung des Wassers dient Bruchsal als Blaupause. Die Technik ist sicher“, sagt er. In Bruchsal könne jeder bei der Pilotanlage sehen, wie störungsfrei so eine Anlage funktioniere. Übrigens ist EnBW gerade ein beliebter Ansprechpartner im Raum Karlsruhe und in Wörth, wo man im Zuge der Anstrengungen in Richtung Klimaneutralität auch die Expertise des Unternehmens nutzen möchte.

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Bleibt es eigentlich dabei, dass hier bei uns drei Anlagen gebaut werden sollen, die dann etwa 30 Prozent der Fernwärme erzeugen sollen, die heute noch vom Kohlekraftwerk in Mannheim geliefert wird? MVV-Kommunikationsleiter Sebastian Ackermann sagt dazu, dass die Geohardt eine Kapazität von etwa einem Fünftel zur Fernwärme beitragen könne. Zusammen mit weiteren Anlagen eines anderen Unternehmens, das nordöstlich von Mannheim aktiv sei, könne es dann ein Drittel der benötigten Fernwärme werden. Übrigens in einem der größten Fernwärmenetze Deutschlands. Und die MVV sei gerade dabei mit Flusswärmepumpen und vielen anderen Mosaiksteinchen Stück für Stück klimafreundlich zu werden, um dann möglichst 2030 die heutige Wärmeproduktion des GKM klimaneutral zu ersetzen. Noch nicht hundertprozentig fest steht übrigens, ob tatsächlich drei Geothermieanlagen durch Geohardt gebaut werden sollen: „Es könnten auch nur zwei mit höherer Kapazität sein“, sagt Mathias Wolf. Auf Gerüchte, nach denen eins auf dem heutigen GKM-Gelände und eins auf dem Kasernengelände in Schwetzingen gebaut werden könnten, will keiner der Herren eingehen. Dazu seien die Standortuntersuchungen noch nicht weit genug.

Bis Jahresende Schäden regeln

Von sich aus, spricht Matthias Wolf dann noch das Thema Sachschäden an Gebäuden durch die seismischen Messungen an: „Wir entschuldigen uns bei allen Betroffenen ausdrücklich dafür, dass wir länger brauchen, als versprochen. Aber für uns zählt da die Gründlichkeit.“ Von den insgesamt 140 Fällen seien nun 70 Prozent abgearbeitet und bei den anderen seien die Vor-Ort-Begehungen gemacht und die Ergebnisse lägen noch dieses Jahr vor.

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Die Kosten für die Beweisführung habe in allen Fällen Geohardt übernommen. Das Unternehmen, das die Seismik durchgeführt hat, habe hier alle Grenzwerte eingehalten, sodass deren Versicherung Leistungen ablehne. Man habe dennoch in den meisten Fällen Zahlungen an Geschädigte angeboten und wolle damit ein positives Signal setzen, dass wir Verantwortung zeigen und den technologischen Wandel mit den Menschen, nicht gegen sie gestalten wollen “, sagt Wolf.

Das ist sicherlich auch in Bezug auf die Ängste der Menschen für zukünftige Beeinträchtigungen wichtig. Denn das Land lehnt es ja weiterhin ab, für die von ihr bevorzugte Zukunftstechnologie Tiefengeothermie zu bürgen. Aber auch hier sind sich die Geohardt-Geschäftsführer einig: „Eine Risikohaftung des Landes halten wir für nicht notwendig. Wir sind ausreichend gut versichert. Es wird Bürger geben, die dann von einem – nicht vorhandenen – höheren Risiko ausgehen und auch Bürger, die sich mit einer solchen Regelung besser fühlen würden. Am Ende ist dies eine Entscheidung des Landes. Aber noch einmal – aus Sicht von Geohardt ist dies nicht notwendig“, sagen die Geohardt-Chefs Stefan Ertle und Matthias Wolf.

Chefredaktion Jürgen Gruler ist Chefredakteur der Schwetzinger Zeitung.

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