Schwetzingen. Der Hockenheimer Pfarrer Christian Müller und der Schwetzinger Dekan Uwe Lüttinger leiten künftig die große Pfarrei Mittlere Kurpfalz gemeinsam. Beide sagen, sie seien Teamarbeit gewohnt und freuen sich auf die neue Aufgabe. Jetzt gilt es, nach und nach das Team zu vervollständigen und weiter am Zusammenwachsen in allen Gremien zu arbeiten. Wir haben mit den Leitenden Pfarrern über die nächsten Schritte gesprochen und darüber, dass die Seelsorge im Prozess keinesfalls verloren gehen darf.
Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, sich als Duo für die Leitung der künftigen Großpfarrei zu bewerben?
Müller: Uwe Lüttinger und ich kannten uns schon aus unserer Arbeit im Dekanat Karlsruhe. Als ich dann im November 2022 als Pfarrer nach Hockenheim gekommen bin, war ja klar, dass die Zukunftsfrage auf der Agenda steht und unsere Seelsorgeeinheiten keinen längerfristigen Bestand haben werden. Uwe Lüttinger hatte ja auch in der Zeit der Vakanz in Hockenheim die Seelsorgeeinheit mit betreut, da war es ganz klar, dass wir viel miteinander zu tun hatten. Und bei vielen Gesprächen kam es dann natürlich auf das Thema, wie es künftig werden könnte und wir haben darüber gesprochen, wie es wäre, wenn wir es gemeinsam machen
Lüttinger: Dieses Modell gibt es ja bei uns Katholiken schon länger. Wir haben dann bei der Erzdiözese in Freiburg unsere Bereitschaft signalisiert und dort wurde dann entschieden, dass man uns für geeignet hält. Wir haben das dann auch im Gremium der Ehrenamtlichen besprochen, das eine Stellungnahme nach Freiburg geschickt hat. Die kennen wir übrigens selbst gar nicht. Unsere Bewerbung wurde schließlich angenommen und wir wurden jetzt zu Leitenden Pfarrern ernannt.
Ist es nicht schwieriger, die Entscheidungen zusammen treffen zu müssen als einzeln? Und es wird ja noch weitere Mitarbeiter geben, die zur Teamleitung gehören?
Müller: Ich war immer Teil von Teams und immer auch in Leitungsebenen mit Haupt- und Ehrenamtlichen. Beispielsweise im Diözesanvorstand der Pfadfinder St. Georg. Und vielleicht kommt Uwe Lüttinger und mir auch entgegen, dass wir beide ja mal Krankenpfleger waren, da kommt man auch nur weiter, wenn man im Team zusammenarbeitet.
Lüttinger: Der Austausch ist uns beiden von Anfang an sehr wichtig gewesen. Es ist doch viel besser, Dinge zu besprechen und nicht einsam entscheiden zu müssen. Es gibt ja bei uns in der Diözese auch das Modell der priesterlichen Gemeinschaft, bei dem mehrere Pfarrer in einem Pfarrhaus leben. Das wollen wir bewusst nicht so machen. Christian Müller bleibt im schön umgebauten Pfarrhaus in Hockenheim wohnen, ich in Schwetzingen, so ist auch die Präsenz vor Ort weiterhin gut gegeben.
Wie wird jetzt das weitere Team für die Großpfarrei zusammengestellt?
Lüttinger: Es wird jetzt noch ein Leitender Referent als Ergänzung des Leitungsteams bestimmt, mit dem zusammen wir die pastorale Konzeption der künftigen Pfarrei entwickeln wollen. Das muss kein Priester sein, auch Pastoralreferenten, Gemeindereferentinnen, Diakone oder sogenannte Externe mit Zusatzfunktion können sich dafür bewerben. Und leider erst im Jahr 2025 kommt dann noch der sogenannte Pfarreiökonom hinzu, der im Führungsteam für die Verwaltung und die Finanzen zuständig sein wird.
Wie viele Planstellen hat die neue Pfarrei dann insgesamt?
Lüttinger: Wir gehen davon aus, dass wir ohne den Leitenden Referenten und die beiden Leitenden Pfarrer noch mit zusätzlich neun Vollzeitstellen rechnen dürfen. Aktuell sind es hier in den Seelsorgeeinheiten zusammen 13 Vollzeitstellen, bei denen aber die leitenden Pfarrer mitgerechnet werden. Wir werden also ähnlich besetzt sein wie heute.
Und die Pfarrer Erwin Bertsch und Josef Lovazs?
Lüttinger: Beide hatten ja angekündigt, binnen der nächsten zwei Jahre in Ruhestand gehen zu wollen. In den drei bisherigen Seelsorgeeinheiten werden weiterhin jeweils fünf Personen mit unterschiedlichen Stundenzahlen arbeiten – bei wahrscheinlich drei Priesterstellen. Josef Lovacs war bisher als sogenannter Kooperator tätig also nicht als Gemeindeleiter.
Wie errechnen sich denn diese Stellen?
Müller: Aus zahlreichen Faktoren: Da spielt die Zahl der Katholiken eine Rolle, aber auch die Größe des Gebietes. Das unterscheidet sich ja unter Umständen stark. In der Erzdiözese gibt es im Schwarzwald Regionen mit 20 früheren Pfarreien und Kirchen, aber jeweils nur 700 oder 800 Gläubigen. Bei uns sind das dann pro Seelsorgeeinheit mehr als 3000, aber eine relativ kleine Region, die in alle Richtungen schnell erreichbar ist. Oder nehmen wir mal die Zahl der angeschlossenen Kindergärten. Auch da gibt es große Unterschiede. Bei uns gibt es 17 katholische Kindergärten, in Bruchsal 69. Die Zahl der Verwaltungsmitarbeiter wird also unterschiedlich beurteilt werden müssen.
Apropos Kindergärten. Da gibt es ja in manchen Regionen Bestrebungen, die in die Obhut der Kommunen zu geben. Hier auch?
Lüttinger: Nein. Kindergärten sollen bei uns ein Schwerpunkt pastoraler Arbeit bleiben. Wir werden uns nicht von Kindergärten trennen, auch wenn es halt manchmal personelle Engpässe gibt wie zuletzt in St. Maria. Wir sehen hier eines unserer Zukunftsfelder, um junge Familien zu erreichen – auch wenn wir es mit erschwerten Rahmenbedingungen zu tun haben.
Und was ist mit den einzelnen Räumlichkeiten und mit den Finanzen der Seelsorgeeinheiten, wie wird da die Zusammenlegung geregelt?
Lüttinger: Die Entscheidungen dafür liegen in Freiburg, aber durch die zahlreichen Gründungen von Seelsorgeeinheiten hat man dort ja doch einen großen Erfahrungsschatz gesammelt. Da wird dann sicherlich die Zeit kommen, in der von uns Vorschläge gemacht werden müssen. Aber sicherlich erst, wenn dann auch der Pfarreiökonom vor Ort ist und sich einen guten Überblick verschafft hat.
Wie werden denn die Pfarrgemeinderäte und die Gläubigen jetzt vor Ort weiter an den Schritten beteiligt?
Müller: Das ist sowieso immer Teil jeder Tagesordnung, wenn wir uns in den Gremien vor Ort treffen. Der Prozess der Gründung der neuen Pfarrei wird von der Projektleitung gestaltet. Koordiniert wird das von Uwe Lüttinger und Raphael Brantzen. Derzeit laufen noch sechs nach Themen aufgeteilte Arbeitsgruppen, die sich unter anderem damit beschäftigen, welche Arten von Gottesdiensten künftig gefeiert werden sollen, wie mit der Verkündigung umgegangen wird oder welche Sakramente von wem erteilt werden dürfen. Am 16. März werden die Zwischenergebnisse dann beim Tag der Begegnung im Josefshaus in Schwetzingen präsentiert. Und dort soll auch die Resonanz bei den Gläubigen abgefragt werden. Die Erkenntnisse werden dann in eine Gründungsvereinbarung einfließen, die am 17. Juli bei der Vollversammlung aller Pfarrgemeinderäte beschlossen und unterzeichnet werden soll.
Dennoch wird dies ja zu gewissen Einschnitten in der pastoralen Arbeit vor Ort führen. Der Pfarrer ist künftig nicht mehr allgegenwärtig? Wie verändert sich ihre Arbeit dann – oder hat sie sich längst gewandelt?
Müller: Die Rolle verändert sich gerade grundlegend. Ein Pfarrer kann nicht mehr bei allen Veranstaltungen dabei sein. Aber die Menschen können auch christliche Gemeinschaft spüren, ohne dass der Pfarrer da ist. Die ganze Gemeinde – also die Hauptamtlichen, Ehrenamtlichen und alle Gläubigen – hat künftig die Verantwortung dafür, dass die Kirche lebendig bleibt. Die Selbstständigkeit halte ich für absolut notwendig. Dennoch wird es natürlich weiterhin Zuständigkeiten für bestimmte Dinge geben, aber die kann auch mal wieder wechseln. Und doch feiere ich als Seelsorger natürlich einen Gottesdienst mit Menschen, die ich alle persönlich kenne und über deren Leben ich einiges weiß, anders als mit Menschen, die mir nicht bekannt sind.
Lüttinger: Inhaltlich werden wir als Leiter die Verantwortung tragen, aber es muss und wird auch künftig territoriale und themenbedingte Zuständigkeiten geben. Ich sehe im größeren Team auch Chancen, da findet man bald heraus, welches Charisma besonders gut zu welchen Aufgaben passt und es gibt auch mal die Möglichkeit, innerhalb des Teams zu wechseln und die Rolle der Hauptamtlichen neu zu definieren.
Was wird denn aus den Pfarrbüros? Kommen da heute noch viele Menschen vor Ort oder geht wie in anderen Bereichen das meiste über E-Mail und das Telefon?
Müller: Wir wollen vor Ort ansprechbar bleiben, deshalb wird es in Hockenheim, Schwetzingen und Brühl/Ketsch weiterhin Pfarrbüros geben. Das ist auch für Menschen in Notlagen wichtig, die dort auch Gutscheine für die Tafelläden bekommen. Aber auch, wenn Gläubige eine, Taufe, Hochzeit oder Beerdigung anmelden wollen. Aber viele Anfragen kommen heute schon per E-Mail oder wir werden angerufen. Und wir machen auch Videokonferenzen, wenn Angehörige eines Verstorbenen weit weg wohnen, wir aber ein Trauergespräch führen wollen und wir Informationen für die Trauerfeier einholen wollen.
Lüttinger: Die katholische Kirche bleibt vor Ort. Sie ist dort, wo Menschen zusammenkommen, um miteinander zu sprechen und zu beten. Wir versuchen dafür die Räume zu öffnen. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen gerade nach Angeboten des Austauschs lechzen. Früher haben wir oft gar nicht danach gefragt, ob die Leute dieses Angebot überhaupt wollen, aber künftig wollen wir die Ermöglicher sein und sehen, was daraus wächst.
Müller: Ich erlebe, dass derzeit die Angst vor der puren Größe der künftigen Pfarrei besteht. Aber es kommt doch darauf an, wie man jeweils vo Ort den Glauben lebt und biblische Botschaft verkündet. Diese Herausforderung wollen wir gemeinsam gestalten – seelsorgerisch und spirituell, aber auch planerisch und organisatorisch. Wir wollen für die Menschen da sein, für die andere nicht da sind – auch das ist ein wichtiger Auftrag für uns.
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