Brühl. Tatsächlich eine Stunde der Freude – zeitlich allerdings um fünf Minuten verkürzt – hatten die Ratsmitglieder bei der Aussprache des Jahresabschlusses für 2022 in ihrer jüngsten öffentlichen Sitzung. Drei Monate später als sonst und mit deutlich reduzierter Mannschaft – gut ein Drittel der Ratssitze war aus verschiedenen Gründen von Urlaub bis Krankheit unbesetzt – wurde analysiert, wie das dritte Corona-Jahr in Brühl finanzpolitisch gelaufen ist.
„Das Warten auf die Jahresrechnung hat sich aber gelohnt“, zeigte sich Bürgermeister Dr. Ralf Göck in seiner Einleitung überzeugt, denn „sie ist sehr gut und 2022 geht wohl als bisher bestes Haushaltsjahr in die Geschichte der Gemeinde ein“. Und auch bei den Fraktionen war fast nur Zufriedenheit zu hören, wenngleich der Blick auf die aktuelle Situation und vor allem der nächsten Jahre einen deutlichen Dämpfer setzte.
Jahresabschluss 2022 in Brühl – Till: Gute Ausgangslage
„Erneut ist die Jahresrechnung weit besser ausgefallen, als der ursprüngliche Haushaltsplan 2022“, verlas Michael Till (CDU) die Stellungnahme seines Fraktionskollegens Bernd Kieser. So sei der im Ergebnishaushalt befürchtete Fehlbetrag in ein positives Ergebnis von rund 1,35 Millionen gedreht worden. Erreicht worden sei das durch erhöhte Zuweisungen von rund 1,4 Millionen Euro aus den Töpfen des Finanzausgleichs und gewachsene Gewerbesteuererträge von rund 713 000 Euro. Aufgrund der sich abzeichnenden schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland dürfte das Niveau allerdings in den nächsten Jahren nur schwer zu halten sein, so der CDU-Sprecher. Dennoch: Die Gemeinde habe eine unerwartet gute Ausgangslage für die noch kommenden extrem schwierigen Zeiten.
Zum positiven Ergebnis des Ergebnishaushalts hätten auch Eigenleistungen des Ortsbauamtes und des Bauhofes in Höhe von rund 260 000 Euro beigetragen. Die deutliche Verbesserung des Ergebnishaushalts gegenüber der Planung gehe aber auch auf Einsparungen bei der Gebäudeunterhaltung, den Aufwendungen für Sachverständige, Gutachten und Prüfungen sowie bei den Personalkosten mit insgesamt 815 000 Euro einher. Trotz allem liegen die Personalkosten im Vergleich zum Jahresergebnis 2021 um 7,7 Prozent höher.
Gleichzeitig zeige sich ein Fachkräftemangel, insbesondere im Bereich der Kinderbetreuung, der weiter stark ansteigen werde. Umso wichtiger sei es, schon jetzt qualifiziertes Personal für die Zukunft auszubilden. Für eine moderne und handlungsfähige Verwaltung sei der Anstieg dieser Kosten damit unumgänglich.
Bei der Investitionstätigkeit sei 2022 das Jahr mit den höchsten Ausgaben, obwohl nicht alle eingeplanten Maßnahmen komplett durchgeführt worden seien.
Jahresabschluss 2022 in Brühl – Gredel: Schallmauer durchbrochen
„Die Steigerung bei den ordentlichen Erträgen um etwa 2,9 Millionen Euro im Ergebnishaushalt fällt deutlich geringer als im Vorjahr aus, als sie noch 5,8 Millionen betrug, doch war damit zu rechnen, dass die Gewerbesteuererträge und die Zuweisungen im Finanzausgleich nicht mehr so hoch ausfallen würden“, stellte Jens Gredel für die Freien Wähler fest. Ob sich die Gewerbebetriebe von der Pandemie erholt haben und sich die Gewerbesteuereinnahmen auf dem hohen Niveau einpendeln, bleibe abzuwarten.
Der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer sei geringfügiger als erwartet nur um 257 000 Euro auf 9,9 Millionen Euro gestiegen und dürfte aus seiner Sicht wohl nur der Inflation geschuldet sein. Als erfreulich bezeichnete er die deutlich höher ausgefallenen Verwaltungsgebührenerträge – ausgelöst durch die Anpassung des Verzeichnisses der Gebühren im Jahr 2022.
Auch die ordentlichen Ausgaben liegen mit 308 000 Euro unter dem Planansatz. Doch dürfe nicht übersehen werden, dass sie gegenüber dem Vorjahr um etwa 3,8 Millionen gestiegen seien. Zwar seien die Personalkosten nicht wie prognostiziert auf 10,6 Millionen angewachsen, weil freie Stellen nicht oder nicht so schnell besetzt worden seien, aber die Zehn-Millionen-Euro-Schallmauer wurde erstmals geknackt und um 200 000 überstiegen. Tendenz steigend in den nächsten Jahren, so Gredel.
Vorausschauend müsse Brühl bald wieder mit negativen Jahresergebnissen rechnen, auch wegen der „hohen Abschreibungs- und Folgekosten des Sportparks-Süd von knapp einer Million Euro – von den Folgekosten der neuen Kinderbetreuungseinrichtungen ganz zu schweigen“, unterstrich der Freie Wähler.
Jahresabschluss 2022 in Brühl – Hufnagel: Reserven gefüllt
„Als der Haushaltsplan beschlossen wurde, hatten viele von uns die Hoffnung, dass nach Corona 2022 wieder ein ganz normales Jahr werden würde. Aber dann kam der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Da war die Welt eine andere“, leitete Hans Hufnagel seine Stellungnahme ein und verwies auf die Energiekrise, die Preissteigerung und die Inflation. „Auch wurden plötzlich wieder Flüchtlingszahlen – gerade aus der Ukraine – erreicht, die uns auf dem falschen Bein erwischten.“ Da sei es erstaunlich, dass 2022 im Gesamtergebnis mit einem Plus von 1,35 Millionen Euro abgeschlossen habe.
Das Vermögen der Gemeinde belaufe sich in der Bilanz bei Sachwerten auf 86,3 Millionen Euro, die Verbindlichkeiten beziehungsweise Schulden der Gemeinde am Kapitalmarkt beziffert das Zahlenwerk für Ende 2022 auf 5,3 Millionen Euro. Die Pro-Kopf-Verschuldung habe 373 gegenüber 435 Euro im Vorjahr betragen, also abermals gesunken. Der Landesdurchschnitt der Schulden in den Gemeinden inklusive der Eigenbetriebe lag im Juni 2022 pro Kopf bei 2004 Euro.
Als wichtige Kennzahl nannte Hufnagel die Schuldentragfähigkeit. Diese setzt den Schuldendienst, also den finanziellen Aufwand für Zins und Tilgung, in Relation zu den ordentlichen Erträgen. Für Brühl ergebe dies einen niedrigen Wert von 2,3 Prozent.
Mit Blick auf den Jahresabschluss 2022 könne aus finanzieller Sicht die nähere Zukunft für die Gemeinde weiterhin als solide bezeichnet werden, so der SPD-Sprecher – auch wenn der Zwischenbericht für das laufende Jahr schlechter ausfalle als geplant. „Der Verkauf des Geländes am Schrankenbuckel hat die finanziellen Reserven erst mal wieder aufgefüllt“, schloss Hufnagel.
Jahresabschluss 2022 in Brühl – Frank: Nachhaltig wirtschaften
Für die Grüne Liste fasste Peter Frank noch einmal die Eckdaten des Jahresabschlusses zusammen: „40,3 Millionen Euro eingenommen, 38,9 Millionen ausgegeben, 1,4 Millionen erwirtschaftet, 13,7 Millionen durch den Verkauf des Sportgeländes außerordentlich eingenommen.“ Das Haushaltsjahr 2022 behalte aber Einmaligkeitscharakter, denn das grundsätzliche strukturelle Problem, dass die Erträge durch Steuern bei einer Steigerung von 2,9 Prozent nicht mit den Steigerungen der Aufwendungen von 10,8 Prozent Schritt halten können, bestehe weiter.
„Das bedeutet, dass wir in ein paar Jahren unsere Rücklagen aufgebraucht haben und negative Haushaltsergebnisse an der Tagesordnung sein werden, wir uns aber für heute und die nächsten Jahre mit den Krisen und deren Folgen für unsere Gemeinde intensiver auseinandersetzen müssen“, so Frank.
Die laufenden und geplanten Investitionsprojekte, die Pflichtaufgaben für die Gemeinde darstellten, müssten bezahlt werden. Beispielhaft nannte er Investitionen in Schulen, Kindergärten, Sozialleistungen und Flüchtlingsintegration aus der Ukraine und anderen Ländern sowie andere kommunale Aufgaben. „Das wird 2023 und 2024 sicherlich eine Herausforderung für die Gemeinde.“
Auch in Brühl müsse man „alles erdenklich Mögliche in Betracht ziehen, wie man trotz der Weltkrisen klimaschützend und trotzdem finanziell stabil haushalten kann.“ Grundsätzlich bekräftigte die GLB ihre Forderung, dass in der Gemeinde nachhaltiger und schonender mit den Land-, Wasser-, Luft- und anderen Umwelt- und Vermögensressourcen gehaushaltet werde – „das ist unsere Verantwortung für unsere Kinder und Kindeskinder“.
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